Fa-Konferenz in Österreich: "Kultivierung in der Familie"

Ich bin in Österreich geboren und lebe seit 2012 mit meinem Mann in Polen. Seit 2007 praktiziere ich Falun Dafa. Ich freue mich bei dieser Gelegenheit meine Erfahrungen teilen zu dürfen.

Kultivierung in der Familie

In meiner Familie gab es viel Stress als ich klein war. Mein Vater war Alkoholiker und misshandelte meine Mutter und meinen sechs Jahre älteren Bruder ziemlich regelmäßig. Meine Mutter die selber keine gute Kindheit hatte und ohne Familie aufwuchs, war völlig überfordert und versuchte das Beste aus der Situation zu machen und hielt durch. Obwohl ich damals noch sehr jung war, erinnere ich mich sehr gut an die Dinge die mein Vater im Rausch getan hat.

1993 - als ich 14 war - ließen sich meine Eltern schließlich scheiden - mein Bruder war damals 20 und bereits ausgezogen - und ich zog mit meiner Mutter in ein anderes Dorf. Ich habe meinen Vater gehasst, für das was er uns angetan hat.

Nach der Scheidung hat sich weder mein Vater bei mir, noch ich mich bei ihm gemeldet. Auch mit meinem Bruder hatte ich wenig Kontakt und wenn gab es Streit. Ich war extrem eigenwillig, unnachgiebig, stur und umhüllte das extrem verletzte Kinderherz unter einem Mantel der Härte und Kälte. Mit 16 begann ich Drogen zu nehmen, Alkohol und Zigaretten waren schon davor fester Bestandteil meines Lebens.

Im Jahr 2007 - mit 28 - begann ich Falun Dafa zu praktizieren. Damals dachte ich, wenn ich es schaffe mit dem Rauchen, den Drogen und dem Alkohol aufzuhören sei „ich fertig” - sozusagen. In einem Jahr sollte ich die Kultivierung geschafft haben - dachte ich. Damals hatte ich keine Ahnung wie viele Eigensinne ich eigentlich hatte. Die Geltungssucht und der Kampfgeist liefen Hand in Hand - daneben der Neid. Nicht nur wusste ich nicht, dass ich diese Eigensinne hatte, ich wusste auch nicht, dass viele dieser destruktiven Eigenschaften mit meiner Kindheit - vor allem meinen Vater - zu tun hatten. 

Nachdem ich einige Zeit lang praktiziert hatte, dachte ich immer wieder daran meinem Vater die Wahrheit zu erklären. Ich fühlte eine gewisse Verpflichtung das zu tun. Es war im Jahr 2009 - 16 Jahre nachdem ich das letzte Mal von meinem Vater gehört hatte - als ich beschloss ihn zu besuchen. Rein auf der menschlichen Ebene wollte ich ihn nicht sehen. Ich dachte ich hätte mit ihm, und allem was in meiner Kindheit geschah, abgeschlossen und ich verstand vom Fa - zumindest oberflächlich - dass es kein Zufall war, in welche Familie ich geboren wurde und was ich alles erlebt hatte. Ich dachte damit hätte sich das Vergangene auch erledigt. Und doch war ich ziemlich aufgeregt als ich in das Dorf fuhr in dem ich aufgewachsen bin und schließlich an die Tür meines Vaters klopfte.

Seine damalige zweite Ehefrau öffnete die Tür und fragte mich: „Was willst du denn hier?“ Ich sagte: „Ist der Leo - also mein Vater - da?" Sie sagte: „Nein, willst du Geld?" Ich sagte: „Nein ich will kein Geld." Dann hat sie mich in die Wohnung gebeten. Ich war sehr aufgeregt, die Wohnung in der wir aufgewachsen waren und in der so vieles geschehen war. Ich versuchte mich innerlich zu beruhigen und gab der Frau meines Vaters einen Falun Dafa Flyer. Ich sagte, dass ich gerne mit meinem Vater sprechen würde und erzählte ihr über Falun Dafa und die Verfolgung. Obwohl ich alles andere als herzlich empfangen wurde, verlief das Gespräch mit ihr letztlich gut.

Schließlich gab sie mir die Nummer meines Vaters, der sich zu dieser Zeit im Ausland befand. Einige Tage später rief ich ihn an. Er freute sich mich zu hören, zumindest hatte ich den Eindruck und wir verabredeten uns. Ich dachte, dass er sich entschuldigen würde für alles was er uns angetan hatte, aber als wir uns trafen, tat er so als sei nichts gewesen. 16 Jahre keinen Kontakt, keinen Anruf von ihm, keinen Brief, nichts, und eine Kindheit in der er nur betrunken war… ich konnte es nicht fassen, dass er kein Wort über diese Zeit verlor.

Als Nicht-Praktizierende hätte ich spätestens da einen Tobsuchtsanfall bekommen und ihm alles was sich in der ganzen Zeit aufgestaut hatte an den Kopf geworfen. Aber ich blieb ruhig. Ich dachte immer wieder: „Ich muss ihm die Wahrheit erklären und danach brauche ich auch keinen Kontakt mehr zu ihm." Viele Gefühle, tiefliegende Wunden, die ich eigentlich dachte schon überwunden zu haben kamen wieder hoch und rissen auf.

Schließlich fragte mich mein Vater, ob ich meinen Bruder um ein Treffen bitten könnte. Auch er hatte meinen Vater jahrelang nicht gesehen. Schon zu Beginn meiner Kultivierung, baute ich den Kontakt zu meinem Bruder wieder auf. Das Verhältnis zwischen meinem Bruder und mir war zu der Zeit als ich meinen Vater kontaktierte schon sehr gut. Mit dem Praktizieren änderte ich mein Verhalten meinem Bruder gegenüber und wir wurden richtige Freunde. Schließlich arrangierte ich ein Treffen.

In dieser Zeit ließ sich mein Vater von seiner zweiten Ehefrau scheiden und hatte bald darauf wieder eine Freundin. Diese Freundin wollte meinen Bruder und mich auch kennenlernen. Was dann auch geschah.

Danach trafen mein Bruder - und auch ich - meinen Vater und seine Freundin mehrmals. Ich nutzte jede Gelegenheit, um über Falun Dafa zu sprechen.

Es war für mich nicht leicht, meinen Vater zu sehen, da wir nie über die Vergangenheit sprachen. Immer wieder dachte ich, ich sag ihm jetzt was ich von ihm halte. Wie sehr er mich verletzt hat. Aber dann dachte ich wieder daran eine Praktizierende zu sein, und wusste, dass das nicht der richtige Weg sein konnte. Es fiel mir schwer, dass er nichts sagte zu dem was alles passiert war und noch schwerer auch selber nicht darüber zu sprechen wie ich mich tatsächlich fühlte.

Ich hoffte immer wieder der Kontakt würde abbrechen, da ich ja schon die Wahrheit erklärt hatte. Mein Vater hat sich auch nicht mehr bei mir gemeldet, aber seine neue Freundin hat wieder angerufen.

Natürlich traf ich mich dann auch immer wieder mit den Beiden, da ich wusste, dass es zu meiner Kultivierung dazu gehörte. Es war offenbar so arrangiert - ob ich wollte oder nicht. Schließlich kam Shen Yun nach Wien und ich lud meinen Vater und seine Freundin ein. Seine Freundin konnte nicht aber er kam - mit einer meiner Tanten, einem Onkel und einem meiner Cousins die ich auch schon jahrelang nicht mehr gesehen hatte.

Ich freute mich wirklich, dass er und ein Teil meiner Familie Shen Yun anschauen konnten. Ich wusste, dass es richtig war, was ich machte und dennoch fiel es mir teils unendlich schwer, meinem Vater und auch meiner Familie keine Vorwürfe zu machen. Da niemand für meine Mutter, meinen Bruder oder mich da war, als wir Kinder waren.

Der 60. Geburtstag meines Vaters rückte näher und seine Freundin veranstaltete eine Feier. Auch mein Bruder und ich waren eingeladen. Dann hatten wir die Idee, auch meine Mutter einzuladen - als Überraschungsgast sozusagen. Meine Mutter willigte tatsächlich ein. Alle waren da mein Bruder meine Mutter, einige Familienmitglieder die Freundin meines Vaters und ich. Es war eine große Überraschung für meinen Vater und ich sah dass er sich freute auch wenn er es nicht sagte. Es war eine schöne Feier und ich hatte Gelegenheit mit den Anwesenden über Falun Dafa zu sprechen. Ich wusste, dass es richtig war, dass die Familie wieder zusammen war - und dennoch fiel es mir menschlich gesehen sehr schwer dabei zu sein.

2011 verstarb mein Bruder dann bei einem Autounfall. Es war ein harter Schlag, sowohl für meine Eltern als auch für mich. Aber ich war dankbar, dass ich noch die Chance hatte mit meinem Bruder Zeit zu verbringen und ihm auch von Falun Dafa zu erzählen. In gewissen Situationen half er mir sogar an Falun Dafa-Aktivitäten teilzunehmen. Ich freute mich für ihn. Ich war auch froh, dass mein Vater vor dem Tod meines Bruders noch die Chance hatte mit ihm eine gute Zeit zu verbringen. Der Tod meines Bruders zeigte mir auch wie wichtiges es ist, sich mit der Familie und anderen Bekannten, mit denen man im Streit liegt, schnell zu versöhnen und ihnen von Falun Dafa zu erzählen bevor es zu spät ist. Die eigenen Gefühle sollten dabei immer hinten angestellt werden.

Der Kontakt zu meinem Vater blieb bestehen. Wir hatten mehrere Treffen, in der ganzen Zeit kamen viele Gefühle hoch. Liebe und Hass, alles mögliche. Oft fühlte ich mich wie ein kleines Kind, dass noch immer die Aufmerksamkeit des Vaters suchte. Ich hoffte auf eine Umarmung eine Entschuldigung, ein: „Ich hab dich lieb”. Aber es kam nichts. Oft hatte ich nach den Treffen körperliche Beschwerden. Es ging mir meistens nicht gut, wenn ich ihn sah und wollte ihn auch nicht mehr sehen. Aber dennoch besuchte ich ihn und seine Freundin weiterhin.

Der Meister sagt im Zhuan Falun, Lektion 4:

„Wenn du dich kultivieren willst, musst du dich eben in diesen Schwierigkeiten kultivieren, um zu sehen, ob du alle deine Emotionen und Begierden loslassen und leichtnehmen kannst. Wenn du doch noch an solchen Dingen festhältst, kannst du dich nicht zur Vollendung kultivieren. Alles hat seinen schicksalsbedingten Zusammenhang. Warum kann ein Mensch Mensch sein? Eben weil es unter den Menschen Gefühle gibt. Die Menschen leben eben für die Gefühle. Bindungen unter den Verwandten, Liebe zwischen Mann und Frau, Liebe zu den Eltern, leidenschaftliche Gefühle, Freundschaft, aus freundschaftlichen Gefühlen heraus handeln – alles ist mit Gefühlen verbunden…. Wenn du dich von den Gefühlen nicht trennst, kannst du dich nicht kultivieren.” Zitatende

 

Ich erkannte in dieser Zeit auch, dass vieles von der Geltungssucht, dem Kampfgeist und dem Neid den ich hatte, aus meiner Kindheit resultierten. Ich wollte „wichtig” sein, weil ich es für meinen Vater nie war. Ich wollte es den anderen „zeigen” wie „gut” ich sein konnte und war neidisch wenn andere „besser” waren als ich. So viele tiefverwurzelte Eigensinne. Ich war dankbar, dass ich durch Dafa die Möglichkeit bekam, so vieles durch die Treffen mit meinem Vater zu erkennen, obwohl es bitter war. „Schwer zu ertragen, ist zu ertragen”, die Worte des Meisters hallten nur all zu oft in meinem Kopf.

2016 habe ich meinen Vater und seine Freundin erneut zu Shen Yun nach Salzburg eingeladen. Beide kamen. Die Freundin meines Vaters war sehr berührt. Beide mochten die Aufführung sehr. Ich war dankbar, dass ich es immer wieder schaffe alle meine verletzten Gefühle unter Kontrolle zu halten und das Richtige zu tun!

In den letzten 20 Jahren erlitt mein Vater 2 Krebserkrankungen und einen Schlaganfall. Er lebt jetzt in einem Heim. Nach all dem was er körperlich durchlebt hat, geht es im erstaunlich gut.

Es hat rund 10 Jahre gedauert all die Gefühle, die ich zu meinem Vater hatte abzubauen. Zu erkennen, welch tiefliegende Dinge ich beseitigen muss - und dass das nur möglich ist wenn ich diesen schmerzvollen Prozess durchmache, um im Laufe der Zeit diese schlechten Dinge auch wirklich loslassen zu können und nicht nur zu unterdrücken.

Ich habe meinem Vater in der ganzen Zeit nicht einmal einen Vorwurf gemacht oder mit ihm gestritten, obwohl ich es öfter gerne getan hätte. Ich bin stets dem natürlichen Lauf gefolgt und habe gemacht, was ich als Praktizierende zu tun hatte. Auch wenn es nicht einfach war.

Wenn ich meinen Vater jetzt anrufe, empfinde ich keinen Groll und mache ihm auch im Gedanken keine Vorwürfe mehr. Ich verstehe heute aus dem Herzen, dass alles seinen Grund hat. Alles ist da, damit ich praktizieren kann! Ich empfinde Barmherzigkeit meinem Vater gegenüber. Ich weiß, dass auch er leidet. Ich rufe ihn regelmäßig an, weil ich weiß, dass er sich freut auch wenn er es nicht sagt. Das ist ok! Ich weiß, dass es ihm hilft, weil ich Dafa praktiziere. Es ist mir gelungen die Dinge in meiner so zerrütteten Familie zu harmonisieren und dabei mein Ego Außen vor zu lassen. Ohne Falun Dafa hätte ich das niemals geschafft.

 

Danke verehrter Meister, danke werte Mitpraktizierende!

 

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